Auf den Wegweisern steht "Michaelskirche", doch die Einwohner von Lebach nennen sie lieber "Michaels" oder "Seminarkapelle". Sie entspricht nicht dem üblichen Bild einer Kirche: Sie steht nicht im Zentrum des Ortes, ist nicht weithin sichtbar und verfügt weder über einen Turm noch eine Glocke, um Aufmerksamkeit zu erregen. Andererseits ist sie mit 400 Plätzen auch keine Kapelle mehr. Mit knapp 60 Jahren ist sie für ein Gotteshaus noch sehr jung und zugleich eine stumme Zeugin der unmittelbaren Kriegs- und Nachkriegsgeschichte.
Oswald Schöpp beschrieb den Zustand der späteren Michaelskapelle im Jahr 1948 als "ruinösen Bau". Damals diente das Gebäude wohl als Pferdestall oder Wagenremise und war für vierzehn- bis fünfzehnjährige Burschen durchaus brauchbar zum Fußballspielen (Quelle: "Erlebnisse eines Seminaristen").
Zu dieser Zeit wurden die Gebäude, die 1938 als Kaserne geplant waren und während des Krieges als Lazarett sowie nach dem Krieg zur Unterbringung von Displaced Persons genutzt wurden, sukzessive zu Bildungseinrichtungen umgewandelt. Das Staatliche Katholische Lehrerseminar war der Vorreiter, und bald nach der Eröffnung des Seminars im Herbst 1948 begann die Realisierung des Plans zur Errichtung einer eigenen Seminarkapelle. Diese entstand aus mehreren nebeneinander gelegenen Garagenboxen und konnte im Herbst 1950 die bis dahin bestehende Notkapelle im großen Zeichensaal ersetzen (Quelle: Franz-Josef Schäfer, "Unsere Heimat 3", 2000, S. 114).
Die Michaelskapelle, bis heute in der Trägerschaft des Landes und nicht des Bistums, ist ein beeindruckendes Beispiel für die konfessionelle Ausrichtung der damaligen Bildungspolitik. Die Schüler des Lebacher Lehrerseminars hatten ein intensives religiöses Pflichtprogramm und unterstanden im Rahmen ihrer Internatserziehung katholischen Geistlichen.
Am 29. September 1950 wurde die Michaelskapelle im Beisein geistlicher Würdenträger und des Kultusministers eingeweiht. Schutzpatrone wurden der hl. Erzengel Michael (Namenstag am 29. September) und Jean Baptiste de La Salle (1651-1719), ein französischer Priester und Pädagoge. Eine Besonderheit war die Orgel, die 1937 in St. Wendel abgebaut und eigens für den Einbau in der Michaelskapelle umgebaut wurde. Auch schlichte Eleganz prägte die Einrichtung, geschaffen von der "Schule für Kunst und Handwerk", darunter Wandteppiche, ein Altar und eine handgewebte Altardecke (Antependium) mit der Darstellung des letzten Abendmahls.
Nach der Auflösung des Lehrerseminars 1964 wurde die Michaelskapelle bis Ende der 80er Jahre intensiv genutzt. Doch inzwischen befindet sie sich in baulich schlechtem Zustand. Die Sakristei wurde vor Jahren geschlossen und in den Eingangsbereich verlegt, die Orgel funktioniert nicht mehr, und aufgrund von Priestermangel und Besucherrückgang wird nur noch an jedem dritten Sonntag eine Messe gefeiert.
Autorin: Susanne Leidinger; Textquelle: Leidinger, Susanne: Historischer Kalender Lebach 2009 - Die Lebacher Kirchen, Januar 2010